[Texte Kirchenführer Stammheim Mai 2008]
Gotteshaus St. Bartholomäus
Stammheims Pfarrkirche am südlichen Dorfrand gelegen, schmiegt sich malerisch an die Rebhänge der bekannten Weinlage Stammheimer Eselsberg und leuchtet weithin über das Maintal.
Die Besonderheit, dass die Stammheimer „ihre Kirche nicht im Dorf gelassen haben“, ist vermutlich darauf zurück zu führen, dass an diesem Platz bereits eine Kapelle stand, welche die Grafen zu Castell im Jahr 1258 dem Zisterzienserinnenkloster Maidbronn schenkten.
[Schenkungsurkunde unter „Schenkungsurkunde Kapelle“]
Der Chronist schreibt:
Über viele Jahrhunderte zählte das Weinbauerndorf am Main zur Pfarrei Kolitzheim. Der Pfarrherr hielt nach altem Brauch an den Sonn- und Feiertagen Amt und Predigt in seiner Pfarreikirche in Kolitzheim. Die Stammheimer waren verpflichtet, den beschwerlichen Weg dorthin zu gehen. Nur jedes dritte Mal kam der Geistliche in seine Filiale nach Stammheim. Weil aber immer mehr Leute die Strapazen des weiten Fußweges vornehmlich bei schlechter Witterung scheuten, strebten die Stammheimer nach einer eigenen Seelsorgestelle.
Im Jahr 1747 wurde eine Kaplanei errichtet, die 1786 unter Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal zu einer selbständigen Pfarrei erhoben wurde. Bis zum Jahr 1984 bewohnte der Geistliche ein enges, altes Fachwerkhaus hinter dem Rathaus, bis das neue Pfarrhaus (Maintalstraße 33) an der Stelle des früheren Schulhauses entstand.
Wohl wegen des reichlichen Weinzehnten und Korngülten suchten zahlreiche Lehensherren in Stammheim Besitzungen zu erlangen. Sowohl weltliche Herrschaften wie die Grafen von Castell als auch die geistlichen Stifte wie Maidbronn, Ebrach, St. Stephan zu Würzburg oder die Chorherren zu Heidenfeld legten stets großen Wert auf die pünktliche Zahlung der Gefälle bzw. der Zehnten.
Anfang des 18. Jh. betreuten die Chorherren des Augustinerstiftes von Heidenfeld die Stammheimer in der Seelsorge, wofür die Mönche aus dem Kirchenleben zwei Malter an Korngült zu bekommen hatten. Doch die Gläubigen blieben ihre Abgaben schuldig. Daraufhin beschwerte sich der Herr Propst bei der hochfürstlichen Hofkammer in Würzburg, nachdem die Untertanen seit 1692 ihre Gült nicht mehr entrichtet hatten. Untertänigst bat der Abt um gründliche Untersuchung und Klarstellung nach den alten Gemeinde-, Dorf- und Schätzungsgebühren. Ferner sollten alte Männer, unter ihnen Valtin Fischer, eidlich verhört werden.
Auf die Klage der Stiftsherren hin schickten die fürstbischöflichen Kammerherren eine landesherrliche Verordnung, nach der gegen das Abhören der alten Leute keine Bedenken bestünden, wenn der Passus (Streitfall) durch die Niederschrift in den Büchern fundiert sei. Doch bestünden ernste Bedenken wegen der rückständigen Gefälle, zumal das Kloster seit mehr als 20 Jahren auf die Abgabe der Gült Verzicht geleistet habe. Doch über den Ausgang der Klageführung schweigt sich der Chronist aus.
Die Geschichte unserer Kirche in Zahlen
1258 wurde erstmals am Standort dieser Kirche eine Kapelle urkundlich erwähnt
1347 wird eine Pfarrkirche im gotischen Stil genannt.
15. Jh. Der spitze Echterturm der jetzigen Kirche dürfte aus dem 15. Jh. stammen. Der Unterbau des Turms weist als Wehrturm ebenfalls in diese Zeit zurück.
1514 Die größte Glocke trägt die Jahreszahl 1514. (Glocke: Bez. 1515, mit Maßwerkfries, Ø 1,10 m) Wie so viele andere Glocken auch, sollte diese während des 2. Weltkrieges für den Bau von Kanonen eingeschmolzen werden. Zu diesem Zweck hat man sie, lt. mündlicher Überlieferung, aus dem Schallloch vom Turm hinuntergeworfen. Wie durch ein Wunder hat sie dies weitgehend unbeschadet überstanden. Glückliche Umstände haben das Einschmelzen verhindert und die alte Glocke wurde wieder nach Stammheim zurückgebracht.
[Details zu den Glocken unter „Friede sei ihr erst Geläut“]
1611-1614 In dieser Zeit fanden umfangreiche Renovierungs- und Baumaßnahmen statt. Eine Julius-Echter-Inschrift über dem Hauptportal, mit folgendem Wortlaut, berichtet darüber:
Julius von Edlen echters Stam
Durchwahl zum bistumb wirtzburg kam
Tausendfünfzehnhundert und dabei
Nach christo schrib man Siebenzigdrei
ach gott was mühe der Fürst ufwand
Mehr dan vierzig Jar im ganzen Lant
Auch diese Kirch er restaurirt
Gott ewig Ihms belohnen würd
1 6 1 4
Damals wurde der Turm um zwei auf vier Geschosse erhöht und mit dem weithin sichtbaren Julius-Spitzhelm, dem Markenzeichen des Bauherrn, gekrönt. Über dem zweiten Geschoss verläuft ein Gurtsims. Im zweiten Geschoss findet man ein Kreuzgewölbe und viereckige Scharten nach Süden und Osten. Im 4. Obergeschoss befinden sich einfache spitzbogige Schallfenster.
(Lt. Ordinariatsarchiv: Geistl. Mängel 1611, fol. 231: 1611 ließ Fürstbischof Julius Echter Kirche und Turm renovieren.)
1736 Nach 1736 wurde das Langhaus, es hat drei Fensterachsen, nach Westen hin Richtung Main erweitert. Die Flachdecke des Innenraumes weist einen einfachen Rahmenfelderstuck auf. Die einzelnen Felder sind mit Akanthus (= mehrjährige Staude eines Bärenklaugewächses mit geteilten Blättern und Blüten in langen Ähren) ausgeschmückt. Die Pflanze wurde in der Medizin zur Wundheilung eingesetzt. In der kirchlichen Mythologie galt sie als Heilpflanze. Besonders schön sind die zarten Muschelwerkstuckaturen am Kreuzgewölbe des Chores, die ebenfalls bei dieser Baumaßnahme entstanden.
Der Chor lag um vier Stufen höher als das Langhaus. An der südlichen Chorwand findet sich eine spitzbogige Nische, die vermutlich ehemals als Portal diente. Die Sakristei ist gegenüber, nördlich vom Turm, angeordnet. Man betritt sie durch eine spätgotische Tür mit schmiedeeisernen Beschlägen, reich mit Distelmustern und Lilienenden verziert. Ein Fensterchen im 1. Obergeschoss des Turmes an der Chorwand gewährt Einblick in den Chor. Der dahinterliegende Raum ist als einfache Betloge gestaltet.
1744 Der Hochaltar, welcher auf das Jahr 1744 datiert wird, hat einen kleinen aber kunstvollen Rokoko-Aufbau mit Lambrequin-Baldachin (Querbehang mit Quasten) und reichem Dekor. Über den seitlichen Muschelwerkfestons (Festons = ornamentales Bogengehänge aus verflochtenen Blumen, Blättern und Früchten) stehen die beschwingten Figuren des Kirchenpatrons St. Bartholomäus (links vom Hochaltar) und des Hl. Nikolaus (auf der rechten Seite). Das Altarbild zeigt die Szene „Mariä Heimsuchung“. Von links nach rechts sehen wir u. a. Zacharias, Maria und die Base Elisabeth. Die Kirche feiert das Fest „Mariä Heimsuchung“ am 2. Juli (siehe Lk 1,39-80).
[Hochaltar Ansicht 2018]
1750 Um 1750 wurde das Orgelgehäuse mit Muschel- und Gitterwerk geschaffen.
1786 In diesem Jahr wurde durch eine wohltätige Stiftung die Errichtung einer Pfarrei ermöglicht. Bis dahin übte die Seelsorge in Stammheim der Pfarrer von Kolitzheim aus. Das Bauernhaus hinter dem Rathaus wurde als Pfarrhaus eingerichtet.
1925 erfolgte letztmals eine Erweiterung des Kirchenschiffs nach Westen. Es entstand dabei eine Unterkirche (Krypta). Die Fenster dieses letzten Anbaus gleichen dem Zellenbau alter Klöster.
1929 wurden zwei Seitenaltäre, eine Kanzel und ein neues Orgelgehäuse eingebaut.
Die Seitenaltäre, die bis 1958 in dieser Kirche zu finden waren, hatten einfache Aufbauten mit Giebelaufsätzen mit je zwei gewundenen Säulen, um die sich Weinranken schlangen. Seitlich standen je zwei Heiligenstatuen, Markus und Urban auf der einen und Joachim und Anna Selbdritt auf der anderen Seite.
Die Kanzel war ein hübscher Achteckkorpus mit den vier Evangelisten, Markus, Matthäus, Johannes und Lukas, die in Nischen standen. Der Schalldeckel besaß ein kräftiges Gesims mit Voluten
(= schneckenförmige, in S-Form angebrachte Verzierungen. Sie sind ein altes irisches Symbol für den unendlichen Kreislauf - Geburt, Leben und Tod). Die Figur des Guten Hirten war als Bekrönung auf dem Schalldeckel angebracht. An der Brüstung des Aufgangs war eine Felderteilung mit bewegtem Akanthus.
1958 wurde die Kirche gründlich renoviert und eine neue, größere Sakristei angebaut. Die Seitenaltäre und die Kanzel wurden dabei entfernt.
1962 erhielt die Orgel ein weiteres Manual und ein neues Gehäuse.
1963 wurde die Kirche liturgisch umgestaltet. Aus dieser Zeit stammt die Kreuzigungsgruppe mit Maria Magdalena und Johannes.
1965 erfolgte die Anschaffung von drei neuen Glocken. Zusammen mit der historischen, fast 500 Jahre alten Glocke, bilden diese seit dieser Zeit ein harmonisches Klangbild. In dieses Jahr fällt auch die Unterteilung der Krypta. Vom Friedhof her wurde die Kirchenmauer durchbrochen und eine Leichenhalle eingerichtet.
1969 erfolgte die Einrichtung einer Heizungsanlage im verbleibenden Teil der Krypta.
1975 Die Heiligenstatuen Markus und Urban, sowie Joachim und Anna Selbdritt, die vormals auf den Seitenaltären angebracht waren, wurden restauriert und haben im Langhaus der Kirche, neben und gegenüber dem Hauptportal einen neuen Platz gefunden.
1978 erfolgte die Anschaffung eines Volksaltars aus Holz. Außerdem wurde eine umfangreiche Fußbodensanierung vorne im Langhaus und im hinteren Teil der Kirche vorgenommen. Auf der Empore und teilweise im Langhaus wurden die Kirchenbänke erneuert.
Im Außenbereich legten freiwillige Helfer eine Drainage um die Kirche an.
1984 konnten die restlichen neuen Kirchenbänke mit Polsterung angeschafft werden.
1995 fand eine aufwändige Außen- und Innenrenovierung statt. Die Dacheindeckung erfolgte mit Biberschwänzen, die Außen- und Innenwände erhielten neue Farbanstriche.
1997 stiftete der Winzerverein zwei Außenscheinwerfer. Weithin erstrahlt nun an den Wochenenden die Silhouette des Gotteshauses in das fränkische Maintal.
2001 Ab dem Jahr 2001 schlägt den Stammheimern die Stunde auch vom Kirchturm her. Es erfolgte der Einbau einer Uhr mit Schlagwerk.
2002 Die beiden Zifferblätter wurden angebracht.
2004/2005 In diesen Jahren wurde eine Teilrenovierung, vornehmlich wegen der Feuchtigkeitsschäden im Chorraum und dem vorderen Langhaus, notwendig. Eine liturgische Umgestaltung sollte die im Barock vorherrschende symmetrische Ausgestaltung wiederherstellen.
2005 Der Volksaltar, vormals aus Holz, wurde durch einen Sandsteinaltar ersetzt. In ihm sind Reliquien der Heiligen Edith von Stein, des Heiligen Burkard und des Seligen Liborius Wagner eingebracht. Der neue Volksalter wurde am 13. Febr. 2005 von Bischof Friedhelm Hofmann feierlich eingeweiht.
[Bild aus 2018]
Rechts neben dem Chorbogen steht nun der Taufstein (Höhe 1,20 m), der älteste Einrichtungsgegenstand der Kirche, aus der Zeit um 1600. Er hat ein oben achteckiges Palmettenbecken (Palmetten = ein symmetrisch geordnetes, palmblattähnliches Ornament) aus Sandstein auf rundem Fuß und Schaft mit Konsolenfries. Die Umschrift ist heute teilweise übertüncht und lautet:
JOHAN HEIN SCHU:GPFARHERR
JOHAN HVEMER APELONIA HVEM
ERIGI 1617 ? (ERIGI= errichtet).
Es wurden vermutlich die Namen des damals für Stammheim zuständigen Pfarrers und des Spenderehepaares eingemeißelt.
Über dem Taufstein findet man an einem goldenen modernen Seitenaltar, der schalenförmig ausgebildet ist, die Figur des Guten Hirten, die früher als Bekrönung auf dem Schalldeckel der Kanzel angebracht war.
Auf der linken Seite ist über einer einfachen Sandsteinmensa aus dem Jahr 2005 auf dem goldenen Altarblatt eine beschwingte Immaculata-Statue (lat. die Unbefleckte; Immaculata ist der katholische Beiname für die Heilige Maria) angebracht. Sie entstand in der Rokokozeit im 18. Jh. und entstammt der Werkstatt des Hofbildhauers Johann Peter Wagner. Nur der Strahlenkranz, der sie umgibt, ist neueren Datums.
Wir sehen die typische künstlerische Darstellungsform einer Maria Immaculata, die mit einem Fuß auf dem Kopf einer Schlange, dem biblischen Symbol für die Sünde, steht und diese damit sinnbildlich besiegt (vgl. Offb 12). Die Schlange wiederum windet sich um eine Weltkugel, wodurch Maria als Siegerin über die gesamte weltliche Sünde erscheint.
Über dem Chorbogen ist nun die der Rokokozeit nachempfundene Kreuzigungsgruppe angeordnet, die vormals auf der rechten Seite anstelle des Altarblattes mit dem Guten Hirten angebracht war. Das Kreuz aus dem Jahr 1964 wurde gestiftet. Die Figur Maria Magdalena rechts und Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, links, stammen aus dem Jahr 1966.
Ein neuer Ambo aus Sandstein rundet den harmonischen Gesamteindruck vor dem Chorraum ab.
Den Haupteingang flankieren die Eltern von Maria, die Statuen des Hl. Joachim und der Anna Selbdritt. Das Zweite Vatikanische Konzil legte die Gedenktage auf den 26. Juli zusammen. Das apokryphe Jakobusevangelium berichtet, dass Joachim ein älterer Priester gewesen sei und mit seiner Frau Anna in Jerusalem lebte. Nach 20jähriger kinderloser Ehe habe ihm ein Engel die Geburt eines Kindes verkündet. Auch Anna habe diese Erscheinung gehabt und bald darauf Maria geboren. Das Fest Mariä Opferung erinnert bis heute an dem Tag, an dem die Eltern Maria im Tempel Gott weihten.
Der Höhepunkt in der Verehrung für Anna war im 15. und 16. Jh. erreicht, als 1481 Papst Sixtus IV. den Annatag in den römischen Kalender aufnahm und 1584 Papst Gregor XIII. das Anna-Fest anordnete. Besonders die Kapuziner und die Karmeliter förderten die Verehrung, aber auch Benediktiner- und Augustinerchorherren. Zahlreiche europäische Städte erklärten, im Besitz von Reliquien zu sein. In mehreren Ländern hatte es schon früh Anna-Wallfahrten gegeben. Joachim wurde schon immer in der Ostkirche sehr verehrt; dort ist auch das Anna-Fest seit dem 6. Jh. nachweisbar.
Anna ist wie hier in der Stammheimer Kirche oft dargestellt als Anna Selbdritt mit Maria und dem Jesuskind. In anderen Darstellungen sieht man sie auch als Matrone mit Kopftuch, mit Buch oder mit Maria.
Anna ist Fürsprecherin für eine glückliche Heirat, eine gute Ehe, reichen Kindersegen und eine glückliche Geburt. Sie ist Schutzheilige der Mütter, Witwen und Hausfrauen, der Arbeiterinnen und Hausangestellten, der Bergleute, Weber, Drechsler, Kunsttischler, Müller, Krämer, Seiler, Schneider, Spitzenklöppler und Knechte. Außerdem wird sie angerufen für Regen, gegen Gewitter und zum Auffinden verlorener Gegenstände.
Der Hl. Joachim wird als älterer Mann mit Buch oder Schriftrolle dargestellt. Er wird als Schutzheiliger der Ehepaare, der Schneider und Leinenhändler verehrt.
Die 14 Kreuzwegstationen sind rechts und links im Langhaus angebracht. Die ehemals barocken Rahmen wurden 1962 durch schlichte Goldrahmen ersetzt.
An der rechten Seite des Langhauses, gegenüber dem Hauptportal, steht in einer Nische auf einem Marmorsockel der Hl. Josef.
Darüber ist Maria, die Himmelskönigin, im Rosenkranz zu sehen. Von besonderer Bedeutung sind bei dieser Darstellung die Rosen. Einer alten Legende zufolge hatte die Rose vor dem Sündenfall der Menschen keine Dornen. Da Maria von der Erbsünde bewahrt blieb, wurde sie „Rose ohne Dornen“ genannt. Infolge dieser Tradition verbreitete sich der Bildtypus der „Rosenmadonna“ oder „Madonna im Rosenhag“.
Eine weitere Statue zeigt links daneben den Evangelisten Markus mit dem Evangelium in der Hand und dem Löwen zu seinen Füßen.
Das Evangelium, die Frohbotschaft, die uns Christus gebracht hat, ist uns vierfach aufgeschrieben. Das älteste davon ist das Evangelium nach Markus dem heiligen Evangelisten, dessen Fest wir am 25. April begehen. Markus ist geboren im 1. Jh. vermutlich in Jerusalem. Er war kein Apostel, wurde aber wahrscheinlich durch Petrus zum Christentum bekehrt. Er begleitete nach dem Tod Jesu Paulus und Barnabas um 44 n. Chr. nach Antiochien und später nach Kleinasien. Nach der Rückkehr nach Jerusalem folgten Missionsreisen nach Zypern. Um 61 n. Chr. wird von einem Aufenthalt in Rom berichtet. Dort trifft er mit Petrus und Paulus zusammen. Nach dem Tod Petri soll er nach Alexandrien (Ephesus) gegangen sein und die dortige Kirche gegründet haben, der er möglicherweise als Bischof vorstand. Eine Überlieferung berichtet, er sei 67 n. Chr. von christenfeindlichen Einwohnern zu Tode geschleift worden. Ihm wird das zweite Evangelium zugeschrieben.
Reliquien gelangten nach Venedig (Markusdom) und auf die Bodenseeinsel Reichenau. Der Markustag ist Wetter- und Lostag für die Bauern. Der Hl. Markus ist Schutzheiliger für Notare, Bauarbeiter, Maurer, Glaser, Korbmacher, Glasmaler, Schreiber und Fürsprecher für gutes Wetter, eine gute Ernte, gegen Blitz und Hagel und den plötzlichen Tod.
Rechts neben dem Hl. Josef befindet sich der Schutzheilige der Winzer, der Hl. Urban, dargestellt mit der Traube in der Hand.
St. Urban gilt seit etwa 1000 Jahren als Schutzherr der Winzer und Weinberge. Seinem Festtag am 25. Mai wurde von jeher seitens der Winzer große Bedeutung beigemessen.
Der ursprüngliche Weinheilige St. Urban war der französische Bischof von Langres, der im 5. Jh. gelebt haben soll. Zum Weinpatronat gelangte er, weil er sich in einem Weinberg versteckt haben soll, als die Häscher nach im fahndeten. Im deutschsprachigen Raum ging die Schutzherrschaft bereits im 9. Jh. auf Papst Urban I. (220 bis 230 n. Chr.) über, obwohl dieser mit dem Weinbau nur wenig Verbindung aufweist. Ihm wird die Vorschrift zugeschrieben, Kelch und Patene für das Messopfer müssten aus Gold oder Silber gefertigt sein. Den Kelch als Wahrzeichen wandelten später die Winzer in eine Weintraube um. Das Marterwerkzeug von Papst Urban, die Kugeln der Geiselrute, sollen nach einer anderen Legende in späteren Jahren die Darstellung einer Weintraube erlangt haben.
Als Traubenheiliger genießt St. Urban besonders in den Weingegenden größte Beliebtheit. Aus der Witterung an seinem Festtag, dem 25. Mai, also zehn Tage nach den Eisheiligen Pankrazius (12.05.), Servatius (13.05.) Bonifatius (14.05) und der Kalten Sophie (15.05.), schließen die Winzer auf ein Gedeihen der Reben, wenn sie mit der „Kalten Sophie“ von den Spätfrösten verschont geblieben sind. Nun kann die verheißungsvolle Blüte im Weinberg einsetzen. Der jetzt einsetzende Austrieb der „Gescheine“ (Rebblüten) steht unter dem Schutz.
Nach einer Erzählung von Sebastian Franck sollen die Winzer sein Bildnis bei Schlechtwetter über und über mit Wasser begossen oder gar in die trübe Wasserbrühe der „Weth“, des Löschteiches, geworfen haben. Trotz saftiger Strafgebühren der Obrigkeit soll sich diese rituelle Strafe für den wetterwendischen Heiligen bis ins 18. Jh. in Franken erhalten haben.
[Viele Wetterregeln zeugen davon, wie sehr der Hl. Urban im Volksglauben verwurzelt war:
„Sonne klar am Urbanstag,
wächst guter Wein nach alter Sag;
doch muss Urban im Wasser baden,
bringt der Regen den Reben Schaden“.
Oder:
„War St. Urban hell und rein,
so segnet er uns die Fässer ein“.
Fest glaubten die Winzer daran:
„War an Urban das Wetter schön,
wird man volle Rebstöck´ seh´n!“
Verheißungsvoll klang auch:
„Scheint am Urbanstag die Sonne,
das gerät dem Wein zur Wonne.“
Immer wieder riefen die Winzer den Beistand des Heiligen an:
„Urban lass die Sonne scheinen,
damit wir nicht beim Weine weinen!“
Auch als Wetterherr, sein Festtag galt als Merktag für das kommende Wetter und für eine gute Ernte, musste Urban herhalten:
„Wie das Wetter an St. Urban hält,
so ist es zwanzig Tag bestellt.“
Oder:
„Das Wetter, wie es Urban hat,
auch in der Lese findet statt.“]
Das Patronat des Weinheiligen galt also seit jeher für die Winzer und den Wein. Der Traubenherr soll auch Unwetter und Gewitterschäden von den Weingärten abhalten. Auch wurde er gegen die Trunksucht und die Gicht, der „Urbansplag“, als Beistand angerufen.
Der Hl. Sebastian ist zwischen den beiden Eingängen im hinteren Teil der Kirche zu finden und wird in Stammheim als 2. Kirchenpatron verehrt. Er starb im Jahr 288 n. Chr. den Märtyrertod.
In Narbonne in Gallien gebürtig, trat der edle Jüngling Sebastian in die römische Armee ein und wurde bald zum Obersten der Leibgarde des Kaisers Diokletian ernannt. Der Hl. Ambrosius nennt ihn “einen wahren Diener Gottes und ward darum von allen geliebt”. Er preist ihn als klug, wahrhaft, gerecht, vorsichtig, treu, streng im Dienste, mild im Umgang und engelrein in den Sitten. Viele Christen bestärkte er in der Todesmarter, z. B. die Märtyrer Marcus und Marcellianus, die er auf dem Weg zum Richtplatz gegen das Wehklagen ihrer Gattinnen und Kinder aufrechterhielt.
Eine Frau Zoé, die sechs Jahre stumm gewesen war, heilte Sebastian mit dem heiligen Kreuzzeichen. Als der Kaiser davon erfuhr, befahl er, dass man Sebastian mit vielen Pfeilen am ganzen Leib durchbohren solle. Bei einbrechender Dunkelheit kam die fromme Witwe Irene und nahm den Totgeglaubten vom Marterpfahl ab. Doch Gott erhielt Sebastian auf wundersame Weise am Leben. Irene nahm ihn in ihr Haus auf und pflegte ihn gesund. Sobald er wieder genesen war, trat er noch einmal vor Diokletian und sprach: „Gott hat mir das Leben wiedergegeben, auf dass ich dir noch einmal die Wahrheit bezeuge vor allem Volke, wie unschuldig die Christen sind und wie ungerecht du ihr Blut vergießest.“ Der Tyrann aber bekehrte sich nicht, sondern ließ ihn mit Stockschlägen ein zweites Mal töten.
Als Schutzheiliger der Stammheimer Schützen und Sänger erfährt er am Sonntag nach seinem Namenstag (20. Januar) mit einer Kirchenparade besondere Würdigung.
Eine dritte Mariendarstellung, eine Pietà, findet sich rechts neben dem Beichtstuhl. Die Pietà (ital.: Frömmigkeit, Mitleid; auch: Vesperbild) ist in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als Mater Dolorosa mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus. Das Motiv ist in der Bildhauerkunst seit dem frühen 14. Jh. gebräuchlich und wird von der älteren Forschung in Verbindung mit der Entstehung des Andachtsbildes gebracht. Die Pietà zählt zu den erfolgreichsten Bildfindungen des Mittelalters. In der Liturgie entspricht die Szene der vorletzten Station der Kreuzwegandacht; sie ist ein Hauptinhalt des Gedächtnisses der Schmerzen Mariens. Die Bezeichnung Vesperbild beruht auf der Vorstellung, dass Maria ihren toten Sohn am Karfreitag zur Vesperzeit auf den Schoß nahm. Die Darstellung einer schmerzhaften Mutter Gottes wird auch Vespergruppe genannt (Vesper = das so genannte Abendgebet der Mönche), weil sie am Ende der Vesper zum Bildnis der schmerzhaften Mutter Gottes traten. Das Original dieser Mariendarstellung von Michelangelo, um 1500, befindet sich im Petersdom.
Links neben dem Beichtstuhl steht das Muttergottes-Tragbild für die Prozession nach Retzbach aus dem Jahre 1971. Es ersetzt das alte Wallfahrerbild, das viel zu schwer und unansehnlich geworden war. Das Tragbild ist eine Kopie jenes von Schwanfeld.
Am Ende des Mittelganges steht nun der Ambo, der ehemals am Platz des Taufsteins zu finden war. Darüber ist die Herz-Jesu Statue angebracht. Sie stammt vmtl. aus dem Jahr 1896.
Der Hl. Nikolaus (rechts vom Altarbild)
Nur wenige Heilige sind so bekannt und beliebt wie der Hl. Nikolaus. Sicher ist sein großmütiges Herz der Grund für seine Beliebtheit. Wahrscheinlich ist er im 4. Jh. Bischof von Myra gewesen. Bei der Christenverfolgung um das Jahr 310 n. Chr. unter Galerius Valerius Maximus geriet er in Gefangenschaft und wurde im Kerker schwer misshandelt. Noch gezeichnet von den Misshandlungen trat er 325 n. Chr. beim berühmten Konzil von Nicäa auf. Von dieser Versammlung gibt es noch Überlieferungen, die seine Unterschrift tragen. Viel ist über Leben und Wirken des Heiligen nicht bekannt. Der Todestag war an einem 6. Dezember zwischen 345 und 351 n. Chr. Seine Reliquien ruhen seit 1087 in der Basilika S. Nicola in Bari, Italien. Der leere Steinsarkophag, aus dem die Gebeine wohl 1087 von Seeleuten oder Piraten gestohlen wurden, steht heute in der Nikolauskirche in Demre in der Türkei.
Um die Gestalt des Bischofs entwickelte sich ein starkes Brauchtum. Der Kult drang im 9. und 10 Jh. nach Italien, Deutschland, Frankreich und England. Schon im 10. Jh. entstand in Deutschland der Brauch, dass der Hl. Nikolaus im Bischofsgewand am 6. Dezember die Kinder besucht und beschert.
Die Gestalt des Nikolaus, wie man sie heute kennt, bekleidet mit einem mit Pelz verbrämten Kapuzenmantel und einem langen weißen Bart, existiert erst seit rund 100 Jahren und wurde von dem Maler Moritz von Schwind geschaffen.
Er gilt u.a. als Patron der Ministranten, Kinder, Jungfrauen und Pilger, Schnapsbrenner und Bierbrauer, der Feuerwehr und der Gefangenen. Er ist Fürsprecher für eine glückliche Heirat. Außerdem wird er angerufen, um in Seenot Geratenen zu helfen und um gestohlene Gegenstände wieder zurückzuerhalten.
Der Hl. Bartholomäus (links vom Altarbild)
Die katholische Kirche begeht am 24. August den Festtag dieses Apostels und Märtyrers. Nach allgemeiner Überlieferung soll er jener Nathanael sein, dessen Herzenseinfalt der Heiland das schöne Lob gespendet hatte: “Dieser ist ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch ist“ (Joh. 1,47). In Kana gebürtig starb er 71 n. Chr. den Märtyrertod.
Im Märtyrologium heißt es, dass Bartholomäus das Evangelium in Persien, Arabien und in Armenien verkündete und dort viele zum Glauben an Jesus bekehrte.
Als er die Tochter des Königs von Armenien, die vom bösen Feind ganz wütend gemacht worden war, durch Händeauflegen heilte, ließ sich der König mit seinem ganzen Hof taufen. Die Götzenpriester aber, von Grimm und Neid erfüllt, schworen dem Heiligen den Tod. Sie fanden für ihren gottlosen Plan ein taugliches Werkzeug in Astyages, dem Bruder des Königs. Er heuchelte den Wunsch, dass er das Christentum auch kennen lernen wolle und ließ den Heiligen zu sich kommen. Als dieser gekommen war, befahl Astyages, der einen Teil Armeniens beherrschte, ihn erst bei lebendigem Leib die Haut abziehen und dann enthaupten zu lassen. Seine Gebeine kamen später (983 n. Chr.) in die Klosterkirche dell´ Isola auf die Tiberinsel nach Rom. Seit 1238 befindet sich die Hirnschale im Bartholomäusdom in Frankfurt am Main.
Abgebildet ist er meist mit schwarzem, krausem Haar, manchmal trägt er auch einen kurzen Bart. Auf einigen Darstellungen ist er blond oder hat einen blonden, langen Bart. Bekleidet ist der Apostel oft mit einem weißen Mantel, er trägt Sandalen oder ist barfüßig. Als Attribute hat Bartholomäus bei sich Buch, Schriftrollen, Fahne, Pilger- oder Kreuzstab. Bei ihm ist häufig ein bezwungener Teufel zu sehen. Als Schutzheiliger der Gerber und Metzger wird er gelegentlich mit dem Schindmesser abgebildet. Weitere Darstellungen zeigen ihn mit seiner abgezogenen Haut über dem Arm und seinem abgeschlagenen Kopf in der Hand, was auf seinen Märtyrertod hinweist.
Zusammengestellt von: Monika Ziegler
mit freundlicher Unterstützung durch: Pfarrer Wendelin Lieb, Christine Prowald, Bernhard Seißinger, Gerhard Scheller
neuzeitl. Fotos: Heinrich Krapf
Digit. Bearbeitung: Alexander v. Halem, Heinrich Krapf